Überwachung: Mehrheit der EU-Staaten hält an verpflichtender Chatkontrolle fest
Rückschlag für das Bemühen der polnischen EU-Ratspräsidentschaft, den jahrelangen Streit über den Entwurf der EU-Kommission für eine Verordnung zur massenhaften Online-Überwachung unter dem Aufhänger des Kampfs gegen sexuellen Kindesmissbrauch zu beenden. Der Vorsitz des Ministergremiums schlug jüngst vor, die besonders umkämpften Aufdeckungsanordnungen für elektronische Kommunikation zu streichen. Doch das kommt bei vielen anderen Regierungsvertretern nicht gut an: eine Mehrheit ist dagegen.Die Kommission will mit der von ihr präferierten Form der Chatkontrolle auch Anbieter durchgängig verschlüsselter Messaging- und anderer Kommunikationsdienste wie WhatsApp, Apple mit iMessage, Signal und Threema dazu verdonnern können, Missbrauchsfotos und -videos in den Nachrichten ihrer Nutzer ausfindig zu machen.Empfohlener redaktioneller InhaltMit Ihrer Zustimmung wird hier eine externe Umfrage (Opinary GmbH) geladen.Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden.
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Datenschutzerklärung.Stattdessen brachte Polen ins Spiel, die derzeitige Übergangsregelung zum freiwilligen Scannen nach sexuellen Missbrauchsdarstellungen in eine dauerhafte Erlaubnis zu überführen. Diese – auch nicht unumstrittene – Option billigte der EU-Gesetzgeber 2021 durch eine Ausnahme von der E-Privacy-Richtlinie. Damit können Facebook, Google, Microsoft und andere Diensteanbieter private Nachrichten ihrer Nutzer in der EU auf einer gesetzlichen Basis nach einschlägigem Material durchsuchen. Die Vorgabe gilt aktuell bis Ende 2025.Wie positioniert sich die neue Bundesregierung?Vorige Woche beschäftigte sich die Ratsarbeitsgruppe Strafverfolgung mit der Initiative des Vorsitzes. 16 der 27 Mitgliedsstaaten können darin keinen „Mehrwert“ erkennen. Sie befürchten einen „Rückschritt hinter den Status quo“. Das geht aus einem als vertraulich eingestuften Protokoll des Treffens aus Kreisen der Bundesregierung hervor, das Netzpolitik.org veröffentlicht hat.Spanien kritisiert demnach, mit einem Verzicht auf die verpflichtende Chatkontrolle werde klar eine rote Linie überschritten. Auch Italien befürchtet, dass der polnische Vorschlag das ursprüngliche Ziel des Entwurfs komplett verfehle. Bulgarien gab zu bedenken, dass ohne gesetzliche Auflage viele Diensteanbieter untätig blieben. Irland geht davon aus, dass selbst Facebook & Co. ermutigt würden, von freiwilligen Maßnahmen Abstand zu nehmen. Deutschland, die Niederlande, Österreich, Slowenien und Finnland begrüßen den Kompromissansatz der Präsidentschaft dagegen prinzipiell. Nun wird viel darauf ankommen, wie sich die künftige Bundesregierung in der Auseinandersetzung positioniert.(mki)